Bon Jou Zammi Pam!

Jaa .. es ist halb 3 … alles schläft, der Nachbarshahn kräht, irgendwo höre ich eine Trommel, sonst ist es still… Ich genieße diese Ruhe richtig, wer mit Kindern gearbeitet hat, weiß, dass Kids gerne oft und viel Lärm machen, Haitianer erst recht :)) Letzten Sonntag hatte ich Geburtstag … bekommen habe ich: einen Stapel voll Bilder, (damit habe ich gleich mein Zimmer tapeziert) Kaffee und OHROPAX !!! Wahnsinn, vor allem über das Letztere hab ich mich am meisten gefreut :))
Hier ist so viel passiert, seit meinem letzten Rundbrief im Dezember, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.
Weihnachten war hier … so anders 🙂 Wir haben versucht etwas Weihnachtsstimmung herzuzaubern, ich habe einen Weihnachtsbaum aus Palmenzweigen gebastelt, er sah schrecklich aus, aber den Kids schien er zu gefallen. An Heilig Abend waren wir mit allen Kindern in der Kirche, danach gab es zuhause die Bescherung (sie haben sich riesig gefreut, ständig kamen sie zu uns, umarmten uns und sagten danke). Ich hatte schon ein wenig Heimweh, aber als ich die leuchtenden Kinderaugen sah, wurde mir klar, dass das die (chaotischste, anstrengendste) aber auch die schönste Weihnachtsfeier war, die ich je erlebt habe.
Über meinen ‚Rutsch‘ ins neue Jahr, habe ich schon in FB geschrieben. Das ist auch ein Erlebnis, das ich wohl nie vergessen werde 🙂

Dann passierten hier ein paar weniger schöne Sachen. In der Nacht vom 3. auf den 4. kam eine Gruppe bewaffneter Gangster vor unser Tor. Lautstark versuchten sie sich Eintritt zu verschaffen, schrien wüste Drohungen und schossen in die Luft. Von unserem Sequrity fehlte jede Spur, wo er sich da verkrochen hat, ist uns heute noch ein Rätsel. Ich weigerte mich Schutzgeld zu geben, aber meiner Teamkollegin war das alles zu heikel, sie ließ 2 Tage später über unseren Fahrer 5 000 GD (ca. 80 Euro) dem Rädelsführer zukommen.
Mittlerweile hat sich hier alles beruhigt, doch jedes Mal, wenn jemand ans Gate klopft, fahren alle erschrocken zusammen. Nach diesem habe ich auch versucht Kontakt mit der Polizei aufzunehmen und mit 3 Beamten (Ricardo, Franz und Alix) haben wir auch Freundschaft geschlossen. Regelmäßig kommen sie jetzt auf Patrouille (oder einfach zum abchillen, ich weiß es nicht so genau) bei uns vorbei, sitzen hier bei uns und schwätzen, manchmal  stundenlang 🙂 Letztens kamen wir im Gespräch auf auf geistliche Sachen zu sprechen. Ricardo meinte, die Bibel wäre ein gutes und lehrreiches Buch, er würde auch an Gott glauben, doch ist sie nicht wirklich historisch, man könnte sie eher als eine Parabel betrachten, geschrieben von sehr weisen Menschen. Nun stellte ihm vorsichtig auch meine Sicht der Dinge dar, ging auf die vielen erfüllten Prophezeiungen ein und  …  da knarrte es plötzlich im Funkgerät, wir wurden unterbrochen, gerade wo es am spannendsten wurde. Irgendein Notfall. Sie nahmen sich aber noch die Zeit die Coke zu Ende zu trinken, mich zum Geburtstag zu gratulieren, und schlenderten gemütlich in Richtung Revier davon. Ich hoffe sehr, dass die Zeit, die sie hier verbringen, auch für sie zum Segen wird.
Wer auch immer hier bei uns war, hat sicher ihre Präsenz hier gewittert und wird sich bestimmt nicht wieder blicken lassen. (Vielleicht ist es ja auch Vorsehung gewesen, wenn die Bande nicht wäre, hätten wir die nie Polizisten kennengelernt.. Was denkt ihr?)

Eine Sache möchte ich noch erzählen, dann geh ich endgültig schlafen.
Vor 2 Tagen waren wir wieder im Camp. Zusammen mit African, dem Campleiter sah ich mir die Häuschen an, die für bedürftige Familien gebaut werden, machte Bilder und Notizen, um den Stand der Arbeiten an die Feldleitung in Deutschland weiterzuleiten. Ich war fast fertig, es fehlte nur noch ein Häuschen, das für eine Familie mit 3 Kindern gebaut wird, die zurzeit noch in einem winzigen selbstgebauten Zelt leben. Das älteste Kind aus dieser Familie, Rebekka (7) ist zurzeit in unserem Heim. Als ich dahin kam, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Schon von weitem hörte ich ein unterdrücktes Schluchzen, Stöhnen und Jammern.  Als ich das Zelt betrat, sah ich ein jämmerliches Bild: die Mutter ( Michelene, 28 Jahre alt) lag auf ihrem Bett (Das gleichzeitig auch Schrank und Esstisch ist, das einigste Möbelstück in diesem Zelt), krümmte sich vor Schmerzen, schlug sich in die Brust und heulte … auf dem Boden krabbelte ihr Säugling, vor der Hütte saß ihr Sohn (5), der freudig mir entgegenrannte, als er mich sah …
Ich wusste nicht was ich machen sollte. Die schlimmste Befürchtung war, ein Herzinfarkt … nach kurzem Überleben rief ich unseren Fahrer und sagte er sollte so schnell wie möglich kommen, und 15 Minuten später waren wir auf dem Weg ins Hospital. Wie ich diese Fahrt überlebte, weiß ich nicht so genau, Simon fuhr wie ein Verrückter; Gegenverkehr, rote Ampeln … normalerweise brauchten wir für den Weg über eine Stunde, wir waren in 20 Minuten da.
(Hier muss ich dazusagen, unser Fahrer hat für den früheren Präsidenten gearbeitet, und ist echt ein Meister, was Autofahren angeht. Was er hier teilweise für Stunts hinlegt, wirklich crazy. Haarscharf schneidet er alle anderen Fahrzeuge ab, immer manövriert er unseren KIA durch jeden Stau, nie bleibt er stehen. Ist immer wieder ein Abenteuer mit ihm ins Auto zu steigen. ok, ich bin abgeschweift ..)
Der Doctor untersuchte die Frau, und stellte fest, dass sie irgendein Geschwür in der Speiseröhre hat. Ich war erleichtert, dass es nichts mit dem Herzen war, trotzdem stand es sehr ernst um sie, erstmals musste sie ein paar Tage dableiben.
Dank eurer Unterstützung, hatte ich die Möglichkeit dieser Frau die Arztkosten und Medikamente zu bezahlen. Erstmal bleibt sie 3 Tage da, morgen fahre ich mal wieder hin um zu sehen, wie es ihr geht. Als ich sie etwas später besuchte, stammelte sie etwas, und hielt meine Hand fest, ich verstand nur, danke, und dass sie täglich für mich betet … das war wirklich rührend.

Solche Geschichten kann man hier fast täglich erleben. Ich könnte jetzt noch ewig weiterschreiben, aber es ist fast 5 Uhr morgens, gleich wachen alle Kids auf, und dann ists vorbei mit Nachtruhe. Dieser Eintrag ist auf die schnelle, ohne groß Nachdenken niedergeschrieben worden, sorry für die Rechtschreibfehler. Wenn wir heute Abend Strom haben, füge ich noch ein paar Bilder hinzu, bis dahin müsst ihr euch damit erstmal begnügen.
Ich möchte noch ein paar Gebetsanliegen weiterleiten:

1. Für Michelle, das Gott ihr die Genesung wiederschenkt … die Kinder brauchen ihre Mama!!
2. Für uns. Schutz und Bewahrung
3. Für Weisheit, Kraft, Liebe und Geduld, damit wir Zugang zu den Kids finden, sie richtig und gut erziehen, ihnen ein Vorbild sind. (Vor allem mit den ältesten Kids hat mans oft nicht leicht … Pubertät und so. Teenager sind wirklich anstrengend… )

Vielen Dank!

 

P.S.: Suche jemand, der Lust Zeit und Geld hat Ende Februar/Anfang  März in die Dominikanische Republik zu kommen. Ich muss da ausreisen, um meine Aufenthaltsgenehmigung für Haiti zu verlängern, und wenn ich schon da bin, möchte ich auch paar Tage Urlaub machen. Aber alleine ists doof …

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