Wir leben hier in Quest, dem dichtbevölkertsten Teil Haitis. Es reiht sich ein Stadtteil an den anderen. Überall sind Gebäude, Autos, Müll, Menschen. Es ist immer laut, zu jeder Tageszeit hört man irgendwo Musik, Motorenlärm, Gelächter. Man ist jeden Tag von Morgens bis Abends von Leuten umgeben, ja sogar nachts ist man selten alleine, da schlafen noch ein/zwei Babys in deinem Bett 😛
Es ist nicht einfach Zeit zum stille Werden zu finden. Zum Bibellesen. Zum Beten. Letzte Zeit wurden meine Andachten immer kürzer, unregelmäßiger, seltener … Ich versuchte mein Gewissen damit zu beruhigen, dass ja so viel zu tun sei. Gott würde es schon verstehen, es gibt ja so viel Wichtigeres, das erledigt werden muss, da habe ich einfach keine Zeit für ihn.
Doch Gott sei Dank, recht bald wurde mir klar, dass ich ohne meine Stille Zeit nicht auskommen kann. Ich schaute mir das Leben Jesu an, wie er es handhabte, und Folgendes wurde mir klar:
1. Jesus stellte Gebet VOR Dienst ( bevor er mit seinem Dienst anfing, nahm er sich ca 6 Wochen Zeit zum Beten!(Luk. 4, 1-2). Er brauchte Führung, um die richtigen Prioritäten zu setzen, und Kraft, um den Versuchungen im Verlauf seines Dienstes begegnen zu können.
2. Er betete wenn er müde war. (Math.14.23) Nachdem er einmal einen ganzen Tag gepredigt hat, schickte er seine Jünger voraus, und blieb alleine zurück.
3. Den schwersten Zeiten begegnete er auf den Knien (Gethsemane)
4. Er betete wenn er beschäftigt war. (Markus 1,35)
5. Jesus betete vor wichtigen Entscheidungen. Bevor er seine Jünger auswählte, verbrachte Jesus die ganze Nacht im Gebet. (Lukas 6.12)
Er suchte oft die Einsamkeit, um eine längere Zeit ungestört mit seinem Vater im Himmel verbringen zu können. Sein gesamtes Leben und Dienen war eingebettet in Gebet
Zum Beten suchte er meist einsame Orte aus, oft war es auch oben auf einem Berg. Und da ich meinem Heiland so ähnlich wie möglich sein möchte, machte ich Folgendes:
Gemeinsam mit einem Freund aus der Kirche begab ich mich am Freitag auf den Weg. Eingepackt hatten wir ein Zelt, 2 Decken, und etwas Proviant, und dann ging es los: in die Berge!
Zuerst fuhren wir mit dem Tap-Tap, dann mit einem Kleinbus. Als die Straße zu Ende war mieteten wir ein Motorad-Taxi, die letzten paar Meilen ging es dann zu Fuß. Endlich fanden wir einen guten Lagerplatz hoch oben auf einem Berg und schlugen unser Zelt auf.
Schlafen konnte ich kaum, es war recht kalt da oben, und nach einem ordentlichen Wolkenbruch am Abend waren auch alle unsere Sachen feucht. Doch das war auch ok so: Umso mehr Zeit blieb dann für mich & Gott!
Ich weiß nicht wie viele Stunden ich da betete. Es war, als ob Jesus selber neben mir saß, und ich wie mit einem Freund sprechen konnte. Als dann der Morgen graute, fühlte ich mich so frisch und froh, wie schon lange nicht mehr, obwohl ich so gut wie gar nicht geschlafen hatte 🙂 Es war der Hammer !!
Als es dann hell wurde, begab ich mich auf eine kleine Entdeckungsreise um unser Lager herum. Einfach herumschlendern, im Wald, Felsen hochklettern, durch Bäche waten … das konnte ich schon so lange nicht mehr, und mir kamen Kindheitserinnerungen, wie ich damals mit Papa … ( ich hör auf, sonst wird ich zu sentimental hier 🙂
Paar Stunden später saßen wir wieder im TapTap und rasten auf den engen Gebirgsstraßen bergab. Müde, hungrig, nass und durchgeschwitzt, trotzdem glücklich und zufrieden.
Lieber Freund, wann hattest du deine letzte Stille Zeit? Ich meine jetzt nicht die 5 Minuten vor dem Schlafengehen. Vielleicht schlä gt auch dein Gewissen, wenn du die Worte hörst die Jesus an Petrus richtete: „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?“ (Matth. 26.40) Meinst du nicht, dass es angebracht wäre, wie Jesus einmal eine längere Zeit einzuplanen, in der du mit dem Vater Gemeinschaft hast? …
Hey Alex,
Vielen Dank für diesen Bericht. Er spricht eigentlich genau in meine Situation, es sind zwar nicht die vielen Menschen um mich rum, die mir die Stille rauben, sondern das Studium mit all den vielen Aufgaben … könnte ich sagen. Wenn ich dann Zeit für mich habe (die habe ich Gott sei Dank noch) denke ich oft, ich müsste mich von dem ganzen Stress erholen und auch mal etwas für mich tun. Also ab auf’s Sofa und irgendwelche Serien gucken. Spät Abends merke ich dann, dass ich mir lieber für Gott hätte Zeit nehmen sollen und dass die Glotze gar nicht wirklich erholsam ist, sondern mir eigentlich nur falschen Input liefert, der den Platz einnimmt, den eigentlich das Wort und die Gemeinschaft mit Gott einnehmen sollte.
Ich werde auf jeden Fall versuchen, auch jeden Tag meinen „Berg“ zu finden, um wie Jesus mit Gott in Verbindung zu bleiben – und noch viel mehr, Gott an erster Stelle in mein Leben einzubeziehen.
Liebe Grüße, Timo